
Im Anhang haben wir für Sie eine Aufstellung über die häufigsten Anfallsformen und deren Erscheinungsbilder zusammengefasst.
Die Epilepsie ist eine der ältesten chronischen Erkrankungen des zentralen Nervensystems, im Kindes- und Jugendalter sogar die häufigste chronische Erkrankung überhaupt. Aber auch im zunehmenden Maße sind immer häufiger ältere Menschen, z. B. durch die Folge eines Schlaganfalls, von einer Epilepsie betroffen. Die hier genannten Beispiele sind die am häufigsten auftretenden Anfallsformen:
Ein epileptischer Anfall ist die Folge einer ungebremsten Ausbreitung von Nervenzellimpulsen im Gehirn. Die Ursachen hierfür können sehr verschiedenartig sein. Grundsätzlich kann jede Schädigung des Gehirns einen Anfall auslösen. Dabei spielen oft Auslöser wie z. B. Schlafentzug, Alkohol- und/oder Medikamentenmissbrauch, Fieber, bestimmte Medikamente (u. a. Penicillin, Antidepressiva und Neuroleptika) eine Rolle. Ein erster epileptischer Anfall ist jedoch nicht gleichbedeutend mit einer Epilepsie. Erst wenn zwei und mehr Anfälle ohne erkennbaren Auslöser aufgetreten oder bestimmte Veränderungen im Gehirn nachweisbar sind, spricht man von einer Epilepsie. Epilepsie kann jeden treffen und hat viele Gesichter - jeder 20. (!) Mensch erleidet im Laufe seines Lebens mindestens einen epileptischen Anfall.
Auf den ersten Blick lässt sich in der Regel nur der große Anfall, der so genannte Grand mal-Anfall, für einen Laien ohne Schwierigkeiten erkennen. Die erkrankte Person verliert das Bewusstsein, gelegentlich verbunden mit einem plötzlichen Aufschrei (Initialschrei). Der abrupte Bewusstseinsverlust kann zu schweren Stürzen und Verletzungen führen. Die gesamte Skelettmuskulatur ist angespannt, gefolgt von einer totalen Überstreckung. In dieser Phase kann es auch zum zeitweisen Atemstillstand durch Verkrampfung der Atemmuskulatur kommen, eine Blaufärbung der Haut / Lippen kann die Folge sein. Diese Phase dauert ca. 15 - 30 Sekunden, führt aber niemals zum Ersticken des Patienten.
Eine andere Form von Epilepsie sind die „kleinen“ Anfälle (die so genannten „petit mal, französisch = kleines Übel). Diese sind oft im Vergleich zum Grand mal-Anfall weniger auffällig, so dass selbst der direkt Umstehende nicht erkennen kann, dass der Betroffene gerade einen epileptischen Anfall hat.
Bezeichnet man als abrupt beginnende Bewusstseinsstörungen oder als plötzlichen Abbruch von Denken und physischen Funktionen. Eine Absence dauert im Allgemeinen zwischen 5-20 Sekunden, kürzere Absencen bleiben meistens unbemerkt. Tritt eine Absence beim Sprechen oder Schreiben auf, werden diese Tätigkeiten kurzfristig unterbrochen. Diese Anfälle werden oft als Unkonzentriertheit oder Tagträumerei (z. B. bei Schulkindern) fehlgedeutet.
Das Bewusstsein der erkrankten Person bleibt erhalten. Die Erscheinungsform der fokalen Anfälle entspricht dem Funktionsbereich der von der epileptischen Entladung betroffenen Hirnregion. Eine grundsätzliche Einteilung zeigt die folgende Übersicht..
Fokaler Anfall mit motorischen Symptomen
Beginnt häufig mit halbseitigen Zuckungen an der Hand und kann sich auf benachbarte Muskelgruppen ausdehnen (= Jackson Marsch). Nach einem Anfall kann es zu einer vorübergehenden Lähmung der beteiligten Muskelgruppen kommen.
Fokaler Anfall mit sensorischen Symptomen
Alle Bereiche der Sinneswahrnehmung können betroffen sein:
Die Patienten berichten über plötzliche Gefühllosigkeit, Kribbeln oder über abnorme Temperaturempfindungen in einer Gesichtshälfte, einer Hand oder einem Fuß mit einer Dauer von mehreren Sekunden bzw. Minuten.
Zählt zu den häufigsten fokalen epileptischen Erkrankungen. Symptome hierfür können Pupillenerweiterung, Herzrasen, Einnässen, Speichelfluss, Gesichtsrötung oder -blässe, Schweißausbrüche, Gänsehaut oder Übelkeit sein.
Diese Anfallsform kann u. a. folgende Krankheitszeichen ausmachen, z. B. plötzliches Glücksgefühl, Nicht-Erkennen von Dingen oder Personen, Wutausbrüche, Angst, Ärger, Halluzinationen oder das recht häufige Gefühl, eine Situation schon einmal erlebt zu haben (Déjà vu).
Er unterscheidet sich von dem einfach-fokalen Anfall durch seinen ausgestalteten Charakter und die zu Beginn oder im Verlauf des Anfalls einsetzende Bewusstseinsstörung. Dieser Anfall beginnt nicht abrupt. Er kann durch verschiedenartige Missempfindungen eingeleitet werden (z. B. mit einer so genannten Aura). Oft zeigt die erkrankte Person Automatismen (stereotyp ausgeformte Bewegungsabläufe), wie z. B. nesteln an der Kleindung oder an Gegenständen, sich räuspern, hüsteln, schmatzen, schlucken, komplexe Handlungen oder sprachliche Abläufe. Ferner kann es zu Sprach- bzw. Wortfindungsstörungen, Sprechstörungen, Veränderung der Lautstärke und / oder Sprechgeschwindigkeit, Erzeugung von Tönen oder unverständlichen, nur aus Vokalen bestehenden Worten, kommen. Nach dem Abklingen des Anfalls hellt sich das Bewusstsein wieder auf und der Patient versucht sich wieder zurechtzufinden.
In der Regel enden die meisten Anfälle schon nach wenigen Minuten. Ein Ersthelfer sollte Ruhe bewahren und den Ablauf des Anfalls genau beobachten. Es ist unbedingt zu vermeiden, die betreffende Person fest- oder aufzuhalten. Sie sollte aus einem möglichen Gefahrenbereich gebracht und vor Verletzungen geschützt werden. Die erkrankte Person muss so lange betreut werden, bis sich mit Abklingen des Anfalls das Bewusstsein aufhellt und sich wieder zurechtfindet. Gehen Sie behutsam mit der Person um, durch die berechtigte Angst oder Verunsicherung weiß sie nicht, was gerade um sie herum passiert. Erst „eingreifen“, wenn sich die Person in Gefahr begibt.
Bei einem Grand mal-Anfall dürfen auf keinen Fall feste Gegenstände (z. B. Beisskeil oder Schlüsselbund) in den Mund gesteckt werden. Versuchen Sie auch bitte nicht, den Mund gewaltsam zu öffnen. Die Verletzungsgefahr für den Helfer, die von solchen Aktionen ausgeht, ist größer, als die Bisswunden, die sich die Person während eines Anfalls ggf. selbst zufügen könnte. Bei schweren Verletzungen oder wenn der Anfall länger als 10 Minuten dauert, ohne dass das Bewusstsein wieder erlangt wird, muss ein Notarzt hinzugezogen werden.
Ein Grand mal-Status stellt eine lebensbedrohende Situation dar und muss immer sofort intensivmedizinisch behandelt werden (als Status bezeichnet man einen epileptischen Anfall, der nicht von alleine abklingt bzw. mehrere Anfälle, die nacheinander auftreten, ohne dass das Bewusstsein wieder erlangt wird).
In der Regel ist die Einweisung in ein Krankenhaus grundsätzlich nicht erforderlich. Ist die Person wieder orientiert (d. h., sie kann Fragen nach Ort, Namen, Datum oder Jahr beantworten) und besteht keine ernsthafte Verletzung, erspart man ihr unnötigen Ärger und Zeitverschwendung. Dem Wunsch der erkrankten (orientierten) Person ist deshalb unbedingt Folge zu leisten. In der Regel ist die Epilepsie bekannt und schon behandelt, bedarf also nicht der weiteren akuten ärztlichen Intervention, auch wenn der Anfall durch sein plötzliches und oft heftiges Auftreten dieses vermuten lässt. Nur wenn eine der vorgenannten Bedingungen nicht erfüllt ist, ist eine Krankenhauseinweisung oder eine weitergehende Untersuchung sinnvoll.